Abt.: Wir fahn, fahn, fahn

IAA - First International Immobility Fair

Für die einen das Höchste, für die anderen ein Graus: Das alljährliche Schultergeklopfe der Automobilindustrie.

Es mag sein, dass auf der Autoausstellung auch Fahrräder ihren Platz haben. Und das wird auch medial wirksam in der Presse lanciert. Doch alle Augenwischerei kann nicht darüber hinweg täuschen, dass es der Industrie darum geht, weiterhin und immer größere Boliden an die Kundschaft zu bringen.

Mit Fahrrädern lassen sich nun mal nicht so dicke Renditen erwirtschaften. Da verdienen viel zu viele Kleinbetriebe, Manufakturen und Einzelunternehmer mit, das macht den Aktionären keinen Spaß.

Oft geht es um Zeichen. Zeichen, die gesetzt und interpretiert werden. Zeichen, die einen Weg aufzeigen. In die richtige Richtung oder eine falsche. In die Zukunft oder in die andere Richtung.

Die IAA ist so ein Zeichen, das entgegen jeder Vernunft die Fahne von Individualverkehr und hemmungslosem Profitstreben hoch hält. Eine Fahne, die der Menschheit den Weg in den Abgrund weist.

Natürlich kann man sich auch für die Technik begeistern. Wie ein Kind sogar. Eine Technik, die schon alt war, als unsere Urgroßeltern noch Kinder waren. Und noch ein bisschen älter. Mit viel Lack und Chrom auf Hochglanz poliert, mutet diese Technik erstaunlich modern an. Und doch ist das Ottomoterenprinzip der Dampfmaschine näher, als dem Elektromotor (1).

So eine IAA hat übrigens für jeden was.

Sie ist technologiefeindlich.

Die Automobilindustrie sperrt sich seit Anbeginn gegen Fortschritt und Weiterentwicklung. Es gibt wohl kaum einen Sektor, der über die Jahre, Jahrzehnte so krampfhaft an veralteter Technologie festhält.

Wäre die Telekommunikation so fortschrittsfeindlich, wir würden noch kurbeln, um das Fräulein vom Amt zu sprechen. Zwar mit einer stylisch aerodynamischen Kurbel. Aber sicher hätten wir kein Handy.
Wäre die Informatonstechnologie so fortschrittsfeindlich, wir würden noch an Zuses Rädchen drehen. Wir hätten noch nicht einmal Lochkarten.
Den Waschzuber gäbe es in allen erdenklichen Farben. Eine Waschmaschine wäre noch lange nicht in Sicht.

Sie ist innovationsfeindlich.

Dank der immer noch fliessenden Rendite sieht die Automobilindustrie keinen Anlass, irgendwie in Innovation zu investieren. Warum auch. Mangels Alternativen kaufen die Kunden ja auch brav Verbrenner. Die fragen nicht nach Elektro, Wasserstoff oder Brennstoffzelle. Oder danach, ob eine Industrie, die weltweit so unglaubliche Gewinne erziehlt, nicht in der Lage ist, wesentlich bessere Technologien zu erfinden und zu entwickeln.

Sie ist klimafeindlich.

So lange uns eine Branche einredet, individuelle Mobilität ist das non plus ultra der Evolution. Höhepunkt und Zenit gleichermassen. Alpha und Omega. So lange werden wir unseren Lebensraum zerstören. Unsere Umwelt verpesten. Unser Klima ruinieren.

Sie nimmt Lebensraum.

Kurzfristig und langfristig.

Kurzfristig, weil so eine verteilte Messe mal eben öffentliche Orte in Beschlag nimmt, die eigentlich von Menschen, dem innerstädtischen Leben und - das muss ich sagen, auch wenn ich nicht will - dem Verkehr benötigt werden.

Langfristig, weil all die Huldigung der Blechgötzen weitere Straßen, Autobahnen und Parkflächen mit sich bringt.

Sie verhindert zukunftsfähige Mobilitätsentwicklung.

In der Stadt genau wie auf dem Land.

In der Stadt intrigiert die Autolobby gegen alternative Konzepte. Sei es der Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs. Oder die Verhinderung revolutonärer Mobilität. Und damit meine ich nicht selbst fahrende Autos. Vielleicht so etwas wie die Ottobahn (2). Oder Autos unter die Stadt, wie im Olympischen Dorf.

Auf dem Land - und ich weiß, dass das Thema Mobilität ein ganz anderes ist, als in der Stadt und damit auch ganz anderer Lösungen bedarf - hat der Individualverkehr längst allen Alternativen das Wasser abgegraben. Eine flächendeckende und funktionierende Infrastruktur mit Bus und Bahn ist für Audi, Mercedes und auch Tesla einfach nicht lukrativ.

Sie höhlt den Rechtsstaat aus.

29 Menschen wurden ohne Verfahren präventiv eingesperrt, weil sie friedlich für die Einhaltung unseres Grundgesetzes protestiert haben(3).

= Letzte Generation =

Da sind wir denn auch schnell in einem ganz anderen Hier und Jetzt. Da wird auch mal das Grundgesetz ausgehebelt, um die weg zu sperren, die ihre grundgesetzlich garantierten Rechte wahrnehmen wollen.

Das Polizeiaufgabengesetz und der darin verankerte Unterbindungsgewahrsam ist zwar nicht wegen oder für Klimaaktivisten gebastelt worden - eher so irgendwie schwammig zur Abwehr großer Gefahren für Land, Leute und... - aber wenn er nun schon mal da ist, warum nicht. So mögen die Staatsorgane denken.

Irgendwo mag auch noch das Gespenst von der Verhältnismässigkeit der Mittel herumgeistern. Bei Polizei und Staatsanwaltschaft scheint das wenig bekannt zu sein. Eine halbe Stunde Stau gegen einen Monat Freiheitsentzug. Ich weiß ja nicht... vielmehr doch, ich weiß schon. Die Freiheit ist nämlich ein ziemlich hohes Gut. Das pünktlich von hier nach da kommen nicht so. Kommt ja schließlich auch niemand auf die Idee, potentielle Stauverursacher weg zu sperren(4).

Es bleibt der schale Geschmack, dass unser Staat einmal mehr die Interessen der Wirtschaft über alles - über Menschen, Rechtsstaat und Gesetz - stellt. Und es bleibt der eklige Geschmack, dass das der Gesellschaft einmal mehr an der Hosennaht vorbei geht.

(2) [Ottobahn]: ottobahn.de

(3) [sueddeutsche.de]: IAA Dinge

(4) Wobei die Vorstellung, zu Ferienbeginn urlaubsreife Familien von der Autobahn zu pflücken und bis zum Ende der Ferien in kühlen Gemäuern einzulagern...