Das Recht auf „freie Bündniswahl“

Bei der allgemeinen politischen Großwetterlage gerät es schnell mal aus dem Fokus, dass es ausserhalb des Fokus einiges gibt, dass man fokussieren sollte. Der Krieg in der Ukraine friert nämlich nicht automatisch alle politischen und militärischen Bestrebungen anderen Ortes ein. Weder schweigen die Waffen in Syrien, noch im Jemen. Und doch möchte ich das Augenmerk ganz wo anders hin lenken:
Die Salomonen.

Wenn etwa der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags zu diesem Ergebnis kommt:

Das Recht auf „freie Bündniswahl“ [...] lässt sich aber im Wege der Auslegung aus dem geltenden Völkerrecht ableiten.(1)

Dann liest sich das zwar wie:

Das Recht auf „freie Bündniswahl“ [...] lässt sich aber im Wege der Auslegung aus dem geltenden Völkerrecht ableiten.

Das heisst deswegen noch lange nicht, dass sich aus dem geltenden Völkerrecht für einen souveränen Staat das Recht auf „freie Bündniswahl“ ableiten liesse. Da muss man schon etwas zwischen den Zeilen lesen. Und zwischen den Zeilen steht da dann etwa das hier:

Das Recht auf „die richtige Bündniswahl“...

Oder auch das hier:

Das Recht auf „die Wahl eines Bündnisses, das von den USA vorgeschlagen wird“...

Warum ich das jetzt hier anführe? Vor allem deswegen, weil es neben dem Ukraine Krieg auch noch andere Themen im politischen Tagesgeschäft gibt. Und weil ich darauf hinweisen möchte, dass ein Herr Putin zwar ein lupenreiner Lügner ist - da schlägt er seine Konkurrenz auf dem internationalen Parkett um Längen - andere Akteure, wie etwa die USA aber auch keine sonderlichen Freunde des fair play sind.

Man könnte auch sagen, großer Bruder aus Übersee spricht mit der gespaltenen Zunge des Bleichgesichts. Denn während die USA in der Causa Ukraine vehement für die „freie Bündniswahl“ der Ukraine eingetreten ist, finden sie eben diese „freie Bündniswahl“ weit weniger knorke, wenn es etwa die Salomonen nach einem Bündnis mit China geriert.

"[...] und auch die USA hatten die Salomonen aufgefordert, das Abkommen nicht zu unterzeichnen."(2) Weil die USA das eben nicht mögen, wenn ein Land auf seine Souveränität pocht und sich die Freiheit der freien Bündniswahl heraus nimmt. Zumal wenn das Bündnis nicht NATO heisst oder wenigstens einer der Bündnispartner USA.

Jetzt versteht mich bitte nicht falsch. Ich finde ein militärisches Bündnis mit China auch nicht knorke(3). Was ich aber ziemlich knorke finde, ist die juristische Spitzfindigkeit, die besagt, dass ein Recht für alle gleich ist. Wenn es das Völkerrecht also her gibt, dass sich die Ukraine der NATO anschliessen darf, dann gibt es eben dieses Völkerrecht auch her, dass sich die Salomonen China als Bündnispartner aussuchen dürfen.

Werft mir billigen Whataboutismus vor. Bitte, den Schuh ziehe ich mir an. Und ich werde mit diesem Schuh - sobald die Waffen in der Ukraine schweigen und ich hoffe, dass das bald sein wird - in viele Ärsche treten.

(1) [Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags]: Zum Recht auf freie Bündniswahl

(2) [RedaktionsNetzwerk Deutschland]: USA warnen Inselstaat

(3) Ich finde militärische Bündnisse im allgemeinen nicht knorke. Warum ich militärische Bündnisse nicht knorke finde? Werft mal einen Blick in die Geschichtsbücher.