Abt.: Transport und Verkehr

Brummi? Ausgebrummt

"Die nehmen uns unsere Arbeitsplätze weg" ist eine so beliebt, wie dumme Floskel, die gerne von rechten Weichbirnen skandiert wird. Dass rechte Weichbirnen nicht ausschließlich am rechten Rand der Gesellschaft zu finden sind, hat Großbritannien der Welt mit seinen Brexitkasperln eindrucksvoll vor Augen geführt.

Denn eines der Argumente für den Brexit waren die billigen Arbeitskräfte aus dem Osten der EU, die auf den Arbeitsmarkt drängten. Jetzt fallen die Arbeitskräfte aus der EU weg und das Heulen und Zähneklappern hält Einzug. Weil auf die freigewordenen Arbeitsplätze keine einheimischen Arbeitskräfte drängen. Ob das für viele oder alle Bereiche gilt, vermag niemand zu sagen. Im Bereich der Berufskraftfahrer ist es deutlich zu sehen. In den Geschäften gähnen leere Regale, Tankstellen sind trockengelegt. Nicht weil es an Waren oder Benzin mangele, sondern weil niemand da ist, der liefert.

Und während wir ein wenig selbstgefällig auf die Insel zeigen, werden auch hierzulande Stimmen laut, dass auch uns ein Kollaps der Lieferketten drohe.

Alte BrummifahrerInnen gehen in Rente. Nachwuchs ist kaum in Sicht. Da wir ja in der EU sind, kann es nicht daran liegen, dass es keine Arbeitskräfte aus Osteuropa gibt. Erklärungen werden gesucht. Da muss sogar der Wegfall des allgemeinen Wehrdienstes her halten, der seinerzeit ausgebildete Kraftfahrer auf den Arbeitsmarkt spülte.

Nur ganz zögerlich wird eingeräumt, dass der Beruf der LastwagenlenkerInnen möglicherweise schlicht unattraktiv ist. Termindruck, ungeregelte Arbeitszeiten und miserable Bezahlung. Das Glaubensbekenntnis, Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis, das scheint keine Gültigkeit zu haben.

Unsere Gesellschaft hängt davon ab, dass Waren aller Art von hier nach da und auch wieder zurück kommen. Wir haben uns an volle Regale gewöhnt und dass alles zu jederzeit verfügbar ist. Dass hinter der Verfügbarkeit eine Logistik steckt, die auf dem Rücken schlecht bezahlter HeldInnen der Landstraße aufgebaut ist, das macht sich kaum jemand bewusst. So ein LKW wird vorwiegend als Verkehrshindernis wahrgenommen. Nicht aber, dass in ihm Schicksale sitzen, die sich auch gerne ein Stück von dem Kuchen leisten können würden, den sie huckepack durch den Kontinent manövrieren.

"Transportkosten sind keine Kosten" wurde mir mal gesagt, als ich darüber wunderte, dass Computer, die hier verkauft werden sollten aus den USA kamen. Dabei kam mir noch nicht einmal in den Sinn, dass diese Computer - bevor sie von den USA nach Deutschland verschifft werden konnten - schon eine lange Reise von den HerstellerInnen in Asien zu den ZwischenhändlerInnen in der neuen Welt hinter sich hatten.

Wer sich also fragt, warum die Transportbranche über Arbeitskräftemangel klagt, muss auch nach Lohn- und Transportkosten fragen.

Als Freund von Zahlenspielen, habe ich da mal was vorbereitet:

"Bei Berufskraftfahrern über 40 Jahren steigt der Verdienst sogar auf ein fast 2300 Euro brutto." (1)
Also setzen wir für die weiteren Berechnungen mal diese 2300 Euro an. Wohlwissend, dass der Durchschnittsverdienst weit darunter liegt. Vergleichen wir im Folgenden einen alleinstehenden Mann und eine alleinerziehende Frau mit einem Kind, die sich beide - also getrennt voneinander - ein Leben in München aufbauen wollen.

Jagen wir den Bruttoverdienst zunächst durch einen Lohnsteuerrechner. Dann bleiben dem Mann noch etwa 1.588 Euro, der Frau mit ihrem Kind 1.605. Beide wollen ihre Nächte gerne mal außerhalb der Schlafkoje des LKWs verbringen. Sie müssen also angemessenen Wohnraum bezahlen. 30qm für den Mann, 60qm für die kleine Familie. Ich denke, das ist nicht übertrieben luxuriös. Dafür muss der Mann etwa 735 Euro berappen, die Frau stolze 1170 Euro(2). Bleiben also unter dem Strich - inklusive Klamotten, Frühstücksei und Kindergeburtstag - 853 Euro auf dem Konto des Mannes und - man lese und staune - 435 Euro auf dem Konto der Mutter.

Noch Fragen? Das liest sich nicht gerade so, als wäre der Job auf der Landstraße besonders erstrebenswert - also rein vom Finanziellen - wenn man Träume von einem guten Leben oder einer Familie hat.

Als kleiner Gag zum Abschluss: Würden beide ihren Job an den Nagel hängen und sich ein Leben mit Harz IV einrichten, dann blieben dem Mann 746 Euro zum Leben, der Frau mit Kind immerhin 1151 Euro(3).

Wie immer bei den Zahlenspielen gilt, die Zahlen sind grobe Annahmen aufgrund frei verfügbarer Quellen.
Wer in der Rechnung böse Fehler findet, darf mich gerne eines besseren belehren.